Montag, 22. Juli 2002
Tag 6: Frust auf dem Weg ins Val Sugana und auf den Ortigara
Rif. Revevaie - Passo Cinque Crossi - Strigno - Rif. Alpino Marcesina
Start: 9:30 Uhr - Stop: 20:30 Uhr - Kilometer: 71 km - Höhenmeter: +2250 hm / -2050 hm - Schnitt: 9,4 km/h - Fahrzeit: 7½ h
Frühstück im Rifugio Refavaie |
Passo Cinque Croci (2018 m) |
Rifugio Refavaie am Morgen |
Das schlechte Wetter hat sich verzogen und blauer Himmel lockt uns auf die Räder. Noch sichtlich geschlaucht von gestern, starten wir allerdings erst spät und erhoffen uns von der heutigen Etappe etwas Erholung. Die Auffahrt auf der Forststraße zum Passo Cinque Croci (2018 m) ist einfach und auch mit müden Beinen kein Problem. Der Pass bietet einen guten Panoramablick auf die nördlich liegende Gebirgskette Catenna dei Lagorei und östlich auf den Cima d'Asta.
Langes Schiebestück Richtung Cima d'Asta zur Forcela Magna |
Abfahrt von der Forcela Magna (2117 m) |
An der Malga Sorgazza, Rückblick auf Forcela Magna und rechts Cima d'Asta |
Da wir heute als einzigen weiteren Anstieg die Fahrt vom Val Sugana auf den Ortigara vor uns haben und es noch früh ist, fahren wir nun nicht direkt ins Tal, sondern wagen eine Variante. Vom Cinque Croci wählen wir den Weg Richtung Cima d'Asta zur Forcela Magna (2117 m). Ich kann schon vorwegnehmen, dass das ein großer Fehler war, der uns im Laufe des weiteren Tages eine ganze Menge Frust kosten wird. Zunächst benötigen wir über eine Stunde für das kleine Schiebestück. Der Weg ist so verblockt, dass an Fahren nicht zu denken ist. Auch die Hoffnung auf eine zügige Abfahrt müssen wir schnell begraben. Geröllfelder mit riesigen Felsblöcken versperren uns alle paar Meter den an sich flachen Trail. Auf dem anschließenden Sträßchen nach Pieve Tesino (843 m) erwischt uns zu allem Überfluss auch noch ein Regenschauer. Im Ort ist es Mittag und wir könnten etwas zu Essen gebrauchen, aber kein Laden hat auf. Also weiter.
Nun müssen wir noch hinunter ins Val Sugana nach Grigno (263 m). Eigentlich kein Problem, wenn man einfach die Straße durch Castello Tesino nimmt. Tun wir aber nicht, weil ich die Kompasskarte falsch lese und denke, dass wir auf dieser Straße noch einmal 250 hm hinauf müssen. So versuchen wir es auf der anderen Seite des Tals durch Cinte Tesino. Nie wieder! Es dauert bestimmt eine Stunde, bis wir endlich den richtigen Weg erwischen. Die Beschilderung ist irreführend und die Kompasskarte keine große Hilfe. Der Weg schneidet in kurzen Abständen die Höhenlinien. Es ist Wahnsinn, mit 30% Gefälle bohrt er sich durch das Gebüsch nach unten, immer immer nahe an der Felskante entlang, wo es mehrere hundert Meter senkrecht nach unten geht, und scheint schon Ewigkeiten nicht mehr benutzt worden zu sein. Der Höhepunkt ist eine 50 Meter lange Passage, an der er komplett weggerutscht ist. Es ist wirklich nichts mehr übrig und Versorgungskabel hängen frei in der Luft herum. Zu Fuß ließe sich das Geröll noch überwinden, aber wie bringen wir die Räder hinüber? Umdrehen? Muss nicht sein. Uns rennt langsam die Zeit davon. Auf der anderen Talseite führt eine wunderschöne Straße entlang. Ich fluche. Mit viel Geschick gelingt es uns vorsichtig mitsamt den Fahrrädern über die freiliegenden Rohre und einzelne Felsbrocken das Stück zu überwinden. Uns plagt mittlerweile großer Hunger und wir verputzten die letzten beiden Powerbars. Einen Platten fange ich mir auch noch ein. Von diesem Weg kann ich nur abraten.
Blick zurück auf Grigno im Valsugana |
1000 hm am Stück bei der Auffahrt aus dem Valsugana (267 m) Richtung Ortigara |
Am sonnigen späten Nachmittag erreichen wir das verschlafene Grigno. Auch hier finden wir keinen geöffneten Laden, seltsam. Nichts mehr zum Essen, nichts mehr zum Trinken, aber noch 1000 hm vor uns und die Zeit wird knapp, das ist bitter. Wir wollen aber unbedingt noch hinauf zur Übernachtung in der Rif. Alpino Marcesina (1319 m), bei er wir uns schon angekündigt haben, damit wir morgen keine 2000 hm am Stück fahren müssen. In Selva zu Beginn der Auffahrt gibt es wenigstens einen Brunnen. Elmar ist zwar skeptisch, aber mir ist das völlig egal. Ich kann nicht mehr sagen, woher wir noch die "Kräfte" genommen haben, denn ein einziger Powerbar als Mittagessen ist arg wenig (wir haben das am nächsten Tag noch getoppt), aber wir haben den Anstieg geschafft, ganz langsam natürlich. Der Weg ist eigentlich sehr schön zu fahren. Akzeptable Steigung, schattig und tolle Blicke ins Val Sugana. Mit Wasser sieht es nach wir vor schlecht aus. Nur ein einziges kleines Rinnsal kreuzt den Weg.
Es dämmert bereits, als wir uns der Rifugio nähern, zudem ist wieder Nebel aufgezogen. Das Klima ist hier oben auf der Hochebene komplett anders als unten im Tal. Wir sind die einzigen Gäste und der Wirt scheint nicht mehr mit uns gerechnet zu haben. Er ist nicht begeistert von unserer späten Ankunft, macht uns aber doch noch etwas zu Essen. Endlich wieder Nahrung. Als Vorspeise Spaghetti und danach eine kalte Platte. Die Unterkunft ist klasse. Wir sind in einem kleinen Appartment im Nebengebäude untergebracht, alles wirkt noch sehr neu. Schade eigentlich, dass wir die einzigen sind. Hoffentlich können sich gute Unterkünfte wie diese überhaupt halten.
Diesen Tag legen wir ganz schnell zu den Akten. Es ging unheimlich viel schief, viel Schieben, schlechte Abfahrt, Regen, mühselige Wegsuche, katastrophale Abfahrt, Platten und kein Essen. Auslöser war eindeutig der überflüssige Abstecher Richtung der Cima d'Asta. Hätten wir direkt vom Cinque Croci die Abfahrt ins Val Sugana genommen, hätten wir uns viel Ärger erspart und wären auch zwei bis drei Stunden früher am Ziel gewesen, also genau das, was wir uns von heute erhofft hatten.