Mittwoch, 1. September 1999
Tag 7: Zum Rabbijoch
Kilometer: 92 km - Höhenmeter: 2200 hm - Schnitt: 13,6 km/h - Max: 76 km/h - Fahrzeit: 6¾ h
Blick vom Eisjöchl auf die Eisjöchlhütte |
Sonnenaufgang am Eisjöchl |
Wir stehen sehr füh auf, da uns heute eine lange Etappe von über 90 km erwartet. Es ist knapp über null Grad und das mitten im Sommer. Das kalte Leitungswasser ist beim morgendlichen Zähneputzen eine sehr erfrischende Angelegenheit. Das Frühstück in dieser Hütte kostet extra, aber es ist absolut erbärmlich, was wir aufgetischt bekommen. Wer vor hat hier zu übernachten, sollte auf jeden Fall auf das Frühstück verzichten und in einer Hütte talabwärts einkehren. Andere Biker haben uns erzählt, dass es dort gut und günstig ist.
Früh am Morgen |
Abfahrt vom Eisjöchl |
Schon um 8 Uhr machen wir uns auf den Weg. Es ist eisig. Die Abfahrt ist auf den ersten Metern ganz nett, aber dann müssen wir leider dauernd abbremsen, weil alle paar Meter ein doofes Gatter den Weg versperrt. Als der Weg etwas breiter wird, haben die Gatter endlich ein Ende und wir düsen ins Tal. Die Abfahrt dauert ewig, knapp 2400 hm liegen zwischen dem Eisjöchl und dem Etschtal (550 m). Als die Straße wieder geteert ist, erreiche ich mehrmals Tempo 70 und entkomme in einer scharfen Rechtskurve nur knapp dem Abgrund. Erst als wir ganz unten sind, halten wir wieder an. Mollige Wärme schlägt uns ins Gesicht und wir ziehen schnell die langen Klamotten aus.
Nun folgen wir dem Radweg an der Etsch entlang Richtung Meran. Als dieser nach vielen Kilometern aufhört versuchen wir einen Waldweg weiterzufahren, wo uns eine Anwohnerin mit Hilfe ihres Hundes auf unsympathischste Weise zusammenscheisst, weil der Weg angeblich für Radfahrer gesperrt sei. Also fahren wir auf der Hauptraße weiter. Das letzte Stück vor Meran nehmen wir die alte Landstraße, auf der nur wenig Verkehr ist. An Meran vorbei, machen wir über Marling und Tscherns (315 m) reichlich Kilometer gut. Dort erkundigt sich Alexander in einer Touristinfo nach der Telefonnummer der Haselgruber Hütte, die wir auf unserer Routenbeschreibung nicht richtig entziffern können, und wir reservieren dort telefonisch drei Plätze. Da diese Hütte sehr klein ist, ist das jedem zu empfehlen.
Es ist später vormittag und wir haben schon über die Hälfte der heutigen Kilometer gefahren. Allerdings geht der zweite Teil der Etappe bis zum Rabbijoch (2467 m) nur noch bergauf. Da wir vor der Mittagspause noch einige Höhenmeter gutmachen wollen, fahren wir erst einmal weiter. Wir müssen nun das komplette Ultental hinauf, davon sehr viel Autostraße. Eine Alternative zu dieser Stecke wäre der Tarscher Pass gewesen, über den man sehr weit hinten in das Ultental hinein kommt. Das hätte zum einen eine zusätzliche Übernachtung auf der Tarscher Alm bedeutet, zum anderen habe ich schon mehrere Tourenberichte gelesen, in denen dieser Pass als nicht empfehlenswert beschrieben wurde.
Die ersten Kilometer geht es sehr steil bergan. Alexander und Felix kann ich schon nach kurzer Zeit nicht mehr sehen. Die Sonne brennt vom Himmel und macht mir schwer zu schaffen. Ich sehne mich nach ein paar Wolken. Immer wieder halte ich im Schatten eines Baumes an um zu verschnaufen. Die Strecke ist sehr kurvig und der Autoverkehr nervig. Er wird hoffentlich weniger, wenn wir weiter das Tal hinauf kommen. Fast eine Stunde fahre ich alleine, bis ich die anderen wieder treffe. Wir beschließen in St. Pankraz (736 m) etwas zu Mittag zu essen.
Ein einziges Lokal hat offen in diesem völlig verschlafenen Nest. Dort sitzen wir ganz alleine an einem Tisch vor dem Haus. Während des Essens ist uns eiskalt. Wir sind nassgeschwitz und sitzen im Schatten, keine gute Kombination. Nach dem Essen sind ein paar Wolken aufgezogen und das Weiterfahren fällt leichter. Am Zoggler Stausee (1153 m) wollten wir zwar die Hauptstraße verlassen und einen Forstweg auf der anderen Seite des Sees nehmen, wir fahren aber weiter auf der Straße, um um zügig voran zu kommen. Der Verkehr hat deutlich abgenommen und es geht kaum noch bergan. Ich fahre trotzdem weit hinterher.
Kurz vor St. Getraud (ca. 1400 m) müssen wir die Straße verlassen und auf einem Forstweg weiter. Es ist Nachmittag, als wir an dieser Stelle ankommen. Wir machen eine Pause und kaufen in einem kleinen Laden Wasser. Von nun an geht es wieder steil bergan. Wir müssen aber direkt wieder anhalten. Nach nicht einmal 50 Metern hat Alexander einen Platten. Nun also auch er. Als er den Reifen zerlegt hat, freut er sich richtig, dass er einen Nagel im Mantel entdeckt, denn so ist die Ursache des Plattens wenigstens klar zu erkennen. Das ändert aber nichts daran, dass er mit der Handpumpe wieder nicht genug Luft in den Schlauch bekommt und mit schwachem Druck weiter fahren muss.
Während der Fahrt hinauf zum Rabbijoch (2467 m) ziehen immer mehr Wolken auf. Ich bin mittlerweile ziemlich geschafft und gehe den Anstieg langsam an. So langsam, dass die anderen mich verwundert fragen, wo ich denn bleibe. Als wir aus den Bäumen herauskommen, haben wir dann immer Blickkontakt zueinander. Die abschnittweise sehr steile 'Fahr'straße können wir irgendwann nur noch schiebend bewältigen. Ab und zu fallen ein paar Regentropfen. Die Wolken scheinen jetzt ein Wettrennen mit der Sonne zu machen. Hinter uns ist es finster und vor uns scheint sie noch. Wir sind irgendwo genau dazwischen. Die Lichtspiele zwischen den dicken Regenwolken und der untergehenden Abendsonne lassen das Tal sehr romantsich erscheinen. Ich finde es wunderschön. Die vielen Kühe scheint das aber nicht zu beeindrucken.
Hoch oben am Ende des Tales steht ein riesiges Steinkreuz. Es ist aber nicht das Rabbijoch, wie wir zuerst vermutet haben. Dorthin geht es noch ein Stück weiter. Wir erreichen es mit den letzten Sonnenstrahlen, können aber die Haselgruber Hütte von dort nicht sehen. Wie weit ist die denn noch weg? Etwas verunsichert fahren wir weiter und erreichen kurz später ein kleines Häschen, gut versteckt hinter einer kleinen Bergkuppe.
Da der Vorraum schon randvoll mit Fahrrädern ist, lassen wir unsere draußen stehen. Wir sind anscheinend die letzten Gäste für heute. Nachdem ich geduscht bin, wasche ich meine Sachen. Bei der kalten Nachtluft werden sie wahrscheinlich wieder nicht trocken, aber in die total verschwitzten Trikots will ich morgen auch nicht. Zum Abendessen vertilgen wir einen riesigen Teller Spaghetti. Danach setzen wir uns zu einer anderen Bikergruppe, trinken ein paar Bier und erzählen ein bißchen. Sie fahren eine Route aus der Bike-Zeitschrift, eine andere Gruppe am Nachbartisch ebenso. Ich selbst finde die Beschreibungen aus der Bike nicht so besonders, weil man dort die Strecke Kreuzung für Kreuzung nachfahren muss und bei diesem Prinzip der Gesamtüberblick fehlt. Wenn man eine Kreuzung verpasst hat, weiß man manchmal gar nicht mehr weiter. Die Mountainbike macht das besser, allerdings sind dort die Etappen anspruchsvoller. Heute haben wir z.B. eine für unsere Verhältnisse wahre Hammeretappe hinter uns gebracht.