Dienstag, 28. August 2001
Tag 4: Pass Chachauna und Livgno
S-Chanf - Pass Chachauna - Livigno - Passo Alpisella - Lago di S.Giacomo di Fraele - Torri di Fraele
Start: 09.30 Uhr - Stop: 18.45 Uhr - Kilometer: 52 km - Höhenmeter: +1600 hm / -1350 hm - Schnitt: 9,0 km/h - Fahrzeit: 5¾ h
Auffahrt zur Alm Chachauna (2210 m) |
Blick zurück beim Aufstieg zum Pass Chachauna (2694 m) |
Aufstieg zum Pass Chachauna (2694 m) |
Da Karstens Schuhe schon wieder wie Sandalen aussehen, kleben wir sie jetzt mit Gewebeband zusammen. Wenn das auch nicht hält, müssen wir in Italien neue Schuhe besorgen. Wenigstens können wir weiterfahren und ich bin froh, dass wir S-Chanf (1662 m) hinter uns lassen. Der Ort und das ganze Inntal haben auf mich keinen sympatischen Eindruck gemacht. Das Tal, das uns nun zum höchsten Punkt unserer Tour am Pass Chachauna (2694 m) hinaufführt, ist dafür umso schöner. Es geht über einen abwechslungsreichen kleinen Waldweg, der gut ausgeschildert und angenehm zu fahren ist. Ab und zu treffen wir auf bekannte Gesichter. Ab der Alm Chachauna (2210 m) führt ein Pfad mitten über die Wiesen weiter. Lange können wir aber nicht mehr fahren und die letzten 400 hm zum Pass sorgen richtig für Stimmung. Auf einem extrem steilen und ausgelutschten kleinen Fußweg, auf dem die Schuhe kaum Halt finden, schieben und heben wir unsere Räder dem Gipfel entgegen. Jeder macht sein Ding und wir verlieren uns teilweise aus den Augen. Ich bleibe oft stehen, um zu verschnaufen und mir die großartige Landschaft anzusehen.
Blick nach Süden am Pass Chachauna (2694 m) |
Oben angekommen bietet sich ein Wahnsinnsblick weit über die italienischen Alpen. Keine Menschenseele, außer uns vieren. Es gibt nur Geröll und nicht ein kleines bißchen Schnee, obwohl ich vor kurzem noch komplett weiße Bilder von diesem Pass gesehen habe. Karstens Schuhe halten noch zusammen, was eigentlich ein Wunder ist nach diesem Aufstieg. Direkt hinter dem Pass gibt es eine kleine bewirtschaftete Behausung, die ich nicht weiterempfehlen kann, zumindest nicht, was das Essen angeht. In dieser Höhe sollte man zwar kein Menü erwarten, für die geschundenen Mägen unserer Truppe war es aber doppelt so heftig.
Die Abfahrt nach Livigno (1805 m) ist geil. Es geht über den Zulieferweg nach unten. Am Anfang wahnsinnig steil, dann etwas flacher, geht es in vielen Kehren dem Tal entgegen. Wir stehen ununterbrochen auf der Bremse und ich mache mir etwas Sorgen wegen des gummiartigen Geruchs. Als das heftigste vorbei ist, kühlen wir unsere Reifen in einem Bächlein auf angenehmere Temperaturen herunter. Keiner hat einen Platten. Man merkt nun, dass wir uns Livigno nähern, es sind bereits viele Wanderer unterwegs.
Der Ort ist ein richtiges Touristenmekka. Ich habe noch nie in den Alpen ein dermaßen überlaufenes Kaff gesehen. Aber der Ort ist wirklich nett gelegen. Mitten zwischen thronenden 3000ern heizt die Sonne den Talkessel auf und ist es trotz der Höhe angenehm warm. Und als wir auf einen gut ausgestatteten Fahrradladen stoßen, merken wir, dass die Zivilisation auch ihre guten Seiten hat. Karsten bekommt dort zu einem supergünstigen Preis neue Schuhe und in einem Supermarkt werden die Reservern aufgefüllt. Weniger erfolgreich ist mein Versuch an einer Touristinfo Auskünfte über Übernachtungen an den Stauseen hinter dem Passo Alpisella zu bekommen. Mit mulmigem Gefühl fahren mit wir ohne gesicherte Übernachtung weiter.
Von Livigno (1805 m) zum Passo Val Alpisella (2268 m) |
Am Passo Val Alpisella (2268 m) |
Die Auffahrt zum Passo Alpisella (2268 m) ist mit etwas Einsatz durchaus bis oben fahrbar, wir tun es trotzdem nicht, da einige Stellen gefährlich schmal sind. Mitten drin müssen wir durch eine Baustelle klettern, bei der der Weg ausgebssert wird. Der Pass ist landschaftlich wieder sehr reizvoll gelegen und in der Abendsonne leuchten die umliegenden Berge wunderschön. Bis hier oben verirrt sich wahrscheinlich nur selten ein Wanderer aus Livigno.
Lago S.Giacomo di Fraele (1949 m) |
Die beiden Stauseen im Val di Fraele (1884 m) sind einfach nur hässlich. Hier wollen wir übernachten, na klasse. Obwohl ich über die Rifugio val di Fraele zwischen den beiden Seen übelste Sachen gelesen habe, versuchen wir dort unser Glück. Es ist nichts frei, puh. Eigentlich kein Wunder, denn diese Hütte gehört zu der in der Bike dieses Jahr veröffentlichten Route Oberstdorf - Poschiava. Der Wirt schickt uns zur Solena, dort würden wir einen Platz bekommen. Die nächste Möglichkeit ist aber zunächst die Rifugio Monte Scale Park. Ein Quartier gibt es zwar, es taugt aber überhaupt nicht. Nun versuchen wir unser Glück also noch bei der Solena. Man spricht nur italienisch. Wir scheinen die einzigen Gäste zu sein und die Zimmer sehen frustrierend aus. In unguter Erinnerung an die gemütlich italienische Übernachtung in der Rifugio Filtzi im letzten Jahr, verzichten wir und fahren weiter.
Die Sonne ist hinter den Gipfeln verschwunden und es macht sich Unmut breit. Aus den Erfahrungen von gestern hätten wir es besser wissen müssen. Ich versuche die anderen zu beruhigen: in Bormio gibt es bestimmt eine Übernachtung. Das erfordert allerdings eine Änderung der von mir angedachten Route, bei der wir nicht nach Bormio hinunter dürfen. Es bleibt keine Wahl. Zunächst. Kurz vor den Torri di Fraele erspähen wir nämlich ein eher hässlich wirkendes Haus, das sich als Restaurant und Albergo entpuppt. Es ist komplett neu renoviert und die Zimmer absoluter Luxus. Soviel Glück muss man mal haben. Super Übernachtung und die Route muss auch nicht geändert werden. Wir sind wieder versöhnt. Der Laden heißt Villa Valania und ist offenbar noch so neu, dass er in meiner Karte nicht als Unterkunft ausgewiesen ist. Dementsprechend leer ist es, wir sind nämlich die einzigen Übernachtungsgäste.