» Startseite » Bike-Touren » Abruzzen 2024 » Tagesbericht © Daniel Bolender, 15.09.2024
vorheriger Tag nächster Tag Bilderindex Etappenübersicht
Höhenprofil Tag 3
Höhenprofil Tag 3

Dienstag, 25. Juli 2024

Tag 3: Übergangsetappe

Pietracamela - Lago di Campotosto - Amatrice - Castellucio Streckenbeschreibung

Start: 08:45 Uhr - Stop: 19:30 Uhr - Kilometer: 110 km - Höhenmeter: +2300 hm / -1900 hm - Maximale Höhe: 1520 m - Fahrzeit: 7:45 h

Heute steht eine Überbrückungsetappe auf dem Programm. Wir verlassen den Gran Sasso und es geht zu den Monti Sibillini. Das bedeutet viele kleine Straßen. Spannend wird es trotzdem, denn in der OSM ist einiges davon durchgeixt, also gesperrt. Was das alles bedeuten kann, werden wir noch erleben. Die Etappe wird deshalb auch im Text lang.

Pietracamela (1050 m) am Morgen. Mit unserem Hotel als zentralem Blickfang. Hübscher Ort.

Pietracamela (1050 m) mit unserem Hotel in der Mitte
Pietracamela (1050 m) mit unserem Hotel in der Mitte

Es geht direkt mit einem Trail los, runter nach Intermesoli (770 m). Dieser fängt sehr vielversprechend und wiesig an, wandelt sich aber bald in ein vom Wasser völlig zerstörtes Wegelein im Wald, das ziemlicher Bockmist ist. Zum Glück haben wir das nicht gestern Abend noch versucht. Ich empfehle jedenfalls die Straße.

Ab Intermesoli folgen wir einer verlassenen Straße. Es ist ein wirklich schönes Sträßchen, wo man mal sehen kann, wie schnell sich die Natur ihr Terrain zurückerobert. Mitten auf der Piste wachsen bereits Büsche. Hier ist schon lange kein Fahrzeug mehr unterwegs gewesen.

Natur holt Straße zurück
Natur holt Straße zurück

Auch beim Blick nach oben sieht es wirklich nett aus. Wer braucht schon Trails, wenn man auf so tollen Straßen dahin rollen kann.

Querung nach Fano Adriano
Querung nach Fano Adriano

Blick zurück nach Pietracamela und dem Corno Piccolo, dem kleinen Geschwisterchen des Corno Grande. Auch der hat ein kleines Wolkenproblem.

Pietracamela mit Corno Piccolo
Pietracamela mit Corno Piccolo

Wir passieren Fano Adriano (734 m) und erreichen den Fiume Vomano (520 m), wo wir der schwach befahrenen SS80 viele Kilometer flußaufwärts folgen. Vorbei an der vorhin schon genannten Albergo Rocchetta und einem strategischen Supermarkt.

Bei Ortolano (1020 m) zweigt eine kleine steile Straße ab zum Lago di Campotosto (1330 m). Ich bin ein bisschen unsicher. Laut OSM ist die Straße gesperrt und ein Bauzaun weist ebenfalls unmissverständlich darauf hin. Wir versuchen es trotzdem.

Gesperrte Straße zum Lago Campotosto
Gesperrte Straße zum Lago Campotosto

Leider stoßen wir auf halber Höhe dann doch auf eine Großbaustelle, an der mit schwerem Gerät der verschobenen Topografie zu Leibe gerückt wird.

Wilde Bautätigkeit nach den Erdbebenschäden
Wilde Bautätigkeit nach den Erdbebenschäden

Es gibt allerdings eine kleine Baustellenpiste, die um das Einsatzgebiet herumführt. Diese können wir ohne Einwände der Bauarbeiter hinauf schieben. Also erst mal alles gut.

Oben am Lago di Campotosto (1330 m) geht es flach weiter bis zur Mittagspause in Campotosto. Der Ort ist Großbaustelle, aber er scheint langsam ins Leben zurück zu finden. Die Pasta im Restaurant gibt es in Zelten. Heute kein Problem. Nur im Winter stelle ich mir das ein bisschen frisch vor.

Weiter entlang am schönen See ...

Lago Campotosto (1330 m)
Lago Campotosto (1330 m)

... bis zu dessen Staudamm (ist wirklich ein Damm). Landschaftlich sieht es fast schon aus wie zu Hause im Hunsrück.

Ein Stück vor Amatrice nimmt die Hochebene ein jähes Ende. Erste Offroad-Pläne für die Abfahrt scheitern an nicht existenten Wegen, bis wir doch noch einen Abzweig von der Straße finden und einen etwas ruckeligen Weg hinunter hoppeln, der sich auch noch Sentiero Italia Ciclo nennt. Kann man machen, man kann es aber auch sein lassen. Ist nur ein kurzes Stück.

Wieder auf der Straße, rollen wir auch schon durch die neueren Außenbezirke von Amatrice (970 m). Dann stehen wir vor den Trümmern der italienischen Gemütlichkeit.

Zona Rossa oder auch "Ortsmitte".

Zona Rossa in Amatrice (970 m)
Zona Rossa in Amatrice (970 m)

Chiesa San Agostino

Chiesa San Agostino
Chiesa San Agostino

Der einzige Unterschied zu Bildern von 2020 ist der, dass man auch mit dem Rad wieder durch darf und keine Expeditionen veranstalten muss.

Außerdem ist etwas mehr Gras über die Sache gewachsen. Hier passiert auch die nächsten Jahre eher nichts mehr.

Zona Rossa in Amatrice (970 m)
Zona Rossa in Amatrice (970 m)

Wir rollen noch ein Stück die SS260 am Fiume Tronto weiter runter, biegen dann aber auf die kleinere Strada Vecchia ab, die sich parallel durch das Tal zieht und die (wie man bei dem Namen schon ahnen kann) laut Karte ebenfalls in Teilen gesperrt ist. Außer ein paar Erdhügeln gibt es aber keine Schwierigkeiten. Die Natur ist auch hier schon am wirken.

Gesperrte Straße bei Accumoli
Gesperrte Straße bei Accumoli

Sonst gibt es in dem Tal wirklich nichts Spannendes. Auf etwa 700 Metern ist es am Nachmittag trotz schattiger Bäume sommerlich heiß.

Dann landen wir doch noch einer Straßenabsperrung, die eine gewisse Herausforderung darstellt. Kurz vorm völlig zerstörten Tufo ist im Wald wegen eines Hausbaus wirklich die gesamte Straßenbreite versperrt. Kein Durchkommen. Jetzt wieder 3 km zurück fahren? Mit vereinten Kräften klettern wir samt der Bikes über das Mannshohe Gatter drüber. Wenigstens das zweite Tor am Ende der kurzen Sperrung lässt sich einfacher passieren.

Nun beginnt die abendliche Auffahrt. Die kürzeste und vermutlich verkehrsärmste Strecke nach Castellucio (1423 m) führt über Capodacqua und den Colle le Cese. Laut Karte ... natürlich gesperrt.

Zumindest bis Capodacqua (819 m) ist die Straßensperrung aus der OSM Geschichte. Ermutigt kurbeln wir weiter nach oben, und kreuzen die imposante Brücke der SS685 die den Hauptverkehr von der Adria ins westlich gelegene Norcia hinüberschaufelt. Oberhalb der Brücke wird unsere Piste dann doch etwas unfertiger.

Das waren die letzten Bilder des Tages. Es lief Einiges nicht wie es sollte.

Es dauert nicht lange, da halten uns zwei Arbeiter am Wegesrand an und versuchen uns etwas von einer Baustelle weiter oben zu erzählen. Was das konkret bedeutet, ist etwas unklar. Nachdem sie weg sind, radeln wir weiter hinauf, bis wir die beiden wieder treffen. Bei diesem Gespräch wird deutlicher, dass wir umkehren sollen. Die Arbeiter verschwinden erneut und lassen uns ratlos zurück.

Mir ist nicht ganz klar, was wir nun tun sollen. Wieder zurück runter ins Tal und eine ganz andere Strecke nach Castellucio schaffen wir zeitlich nicht mehr. Nach einiger Bedenkzeit will ich doch noch mal mit den beiden sprechen. Also wieder ein Stück weiter hinauf, bis zum nächsten „Termin”.

Ich versuche etwas Verzweiflung in die erneute Verhandlung zu werfen. Irgendwie muss man zu Fuß doch weiter kommen. Es nützt aber nichts. Anscheinend ist oben wirklich kein Passieren möglich oder zumindest partout nicht gestattet. Sie lassen sich nicht erweichen. Wir sollen doch weiter Richtung Norcia und von Westen hinauf nach Castellucio (1423 m).

Der Blick in die Karte sieht nicht beruhigend aus, denn die zusätzlichen Kilometer sind ordentlich. Aber es ist immerhin nicht ganz runter ins Tal. Wir müssen nur etwa 100 hm zurück bis zur Brücke und dann durch einen Tunnel. 20 km mehr und mind. 300 hm zusätzlich kommen so sicher zusammen.

Insgesamt hat das ganze Theater bestimmt 1h gedauert. Es ist bereits 17 Uhr. Das wird spät.

Dann mal zurück bis zur SS685. Doch dort steht natürlich ein fettes "Radfahren Verboten" Schild. Für uns alternativlos. Glück im Unglück: Auch dort ist eine Baustelle, aber mit Ampelschaltung. Nur alle paar Minuten setzt sich ein Schwung Fahrzeuge in Bewegung. Das können wir strategisch nutzen.

Umkehrpunkt und Einfahrt in den Tunnel der SS685
Umkehrpunkt und Einfahrt in den Tunnel der SS685

Nach der Brücke geht es direkt in einen fast 5 km langen Straßentunnel durch das Bergmassiv hindurch. Wenn sich Verkehr nähert, ducken wir uns an den Rand, in den Ampelpausen geht es weiter. Ich bin echt froh, als wir wieder draußen sind.

Ein Stück hinter dem Tunnel ist dann Castellucio ausgeschildert. 600 hm Straße bis zur Forca Ventosola (1520 m). In den Beinen ist der Tag eigentlich schon zu Ende. Aber es nützt ja nichts. Auf halber Höhe erwischt uns auch noch ein Hagelgewitter, das wir notdürftig unter einen Busch am Straßenrand abwarten. Die Zeit verinnt.

Um 19 Uhr sind wir endlich oben und verwerfen den ersten Blick in die Schüssel von Castellucio. Bei den aktuellen Lichtverhältnissen wirklich eine grauenvolle Geschichte. Mittendurch zieht sich stangengerade die Straße zu unserem Ziel, das immer noch fast 10 km entfernt ist.

Kessel von Castellucio (1423 m)
Kessel von Castellucio (1423 m)

Fix und alle erreichen wir den Ort bzw. dessen Reste. Am Ende nur noch Schiebend. Doch noch ist nicht Feierabend.

Es gibt drei Unterkünfte. Und man kann es gar nicht glauben. Es ist absolut kein Übernachtungsplatz mehr frei! Reservieren tue ich im Vorfeld unter der Woche nur selten. Jedenfalls an einem Dienstag Abend im Juni. Wenn der nächste Ort aber 30 km und einige Höhenmeter entfernt ist, wäre das wohl sinnvoll gewesen.

Wir stehen vor der Locanda de Senari und bleiben hartnäckig. Ich hätte die Nacht auch in der Gaststube oder sogar im Freien verbracht. Mit dem Rad wäre ich jedenfalls nirgendwo mehr hin gefahren. Zumal es bereits leicht dämmert.

Dann kommt etwas Bewegung in die Sache. Eine Vierergruppe mit einem Appartment erklärt sich bereit, ein Zusatzbett ins Zimmer zu nehmen. Dann können die Vier in einem Raum schlafen, und mein Sohn und ich im anderen. Ich kann meinen Dank kaum ausdrücken. Wir können Duschen und doch einen halbwegs entspannten Abend verbringen.

Wenn es doof läuft, dann richtig. Gesperrte Straße, Gewitter, kein Schlafplatz. Dabei geht ein bisschen unter, dass es bis kurz vor Schluss ein interessanter Tag war.

Für Nachfahrer: Solange der Colle le Cese auf direktem Weg nicht erreichbar ist, bleibt als Alternative die Straße ab Arquata del Tronto zur Forca di Presta oder bereits bei Accumoli schon hoch.

vorheriger Tag nächster Tag Bilderindex Etappenübersicht
Bike-Touren
Sulmona - Assisi (2024)Abruzzen: Gran Sasso, Monti Sibillini
Selonnet (Gap) - Menton (2022)Durch die hohe Provence
Aostatal-Genfer See (2021)Aosta-Tal, Mont Fallère, Verbier
Aosta-Runde (2020)Mont Blanc, Nivolet, Gran Paradiso
Embrun - Nizza (2019)Vom Parpaillon durch die Provence
Berchtesgaden - Piran (2018)Bad Gastein, Kärnten, Soča
Susa/Oulx - Finale Ligure (2015)Monte Viso, Val Maira, Seealpen
Bodensee - L. Maggiore (2014)Liechtenstein, Graubünden, Tessin
Transalp Tirol (2013)Seefeld, Stubaier Alpen, Meran
Martigny - Lago Maggiore (2011)Gran Combin, Paradiso, M. Rosa
Susa - Ventimiglia (2010)Queyras, Ubaye, Seealpen
Zürichsee - Genfer See (2009)Surenenpass, Jungfrauregion
Kiefersfelden - Riva (2006)Zillertaler Alpen, Dolomiten
Brenner - Riva (2005)Geislergruppe, Ortigara
Bodensee - Riva (2004)Septimer und Berninapass
Mittenwald - Riva (2003)über Similaun
Innsbruck - Riva (2002)Dolomiten, Pasubio
Oberstdorf - Riva (2001)auf Heckmairs Spuren
Lenggries - Riva (2000)durch die Dolomiten
Lenggries - Riva (1999)über Eisjöchl
Oberstdorf - Riva (1998)über Stilfser Joch
Chiemsee - Riva (1997)durch die Dolomiten
Abruzzen 2024 / Etappen
01. Rocca Calascio
02. Campo Imperatore
03. Lago Campotosto
04. Monte Sibillini
05. Infernaccio-Schlucht
06. Assisi
Abruzzen 2024 / Fotoalben
Fotoalbum 1. Tag bis 3. Tag
Fotoalbum 4. Tag bis 6. Tag