Montag, 21. August 2000
Tag 9: Hoch über Rovereto
Caldonazzo - Monte Rovere - Passo del Sommo - Passo Coe - Rifugio Filtzi
Start: 9.00 Uhr - Stop: 17.30 Uhr - Kilometer: 51 km - Höhenmeter: 2100 hm - Schnitt: 10,0 km/h - Max: 66,6 km/h - Fahrzeit: 5,0 h
Auffahrt am Kaiserjägerweg mit Blick auf den Lago di Caldonazzo |
Wieder einmal haben wir unsere geplante Route abgeändert. Das urspüngliche Ziel Pasubio erscheint uns zu weit und das Interesse an den dort anstehenden 1700 Höhenmeterm ist geradezu mangelhaft. Auf der Karte suchen wir deshalb eine andere Übernachtung, die uns als Startpunkt für die morgige Etappe nach Riva günstig gelegen erscheint. Die Wahl fällt auf Rifugio Filtzi auf dem M. Finonchio (1603 m) oberhalb von Rovereto. Ich will nur eines vorweg nehmen: nie wieder suche ich mir eine Übernachtung nur wegen ihrer günstigen Lage auf der Karte. Nun zum heutigen Tag.
Um warm zu werden kauft sich Karsten in Caldonazzo erst einmal in einer Apotheke ultrateure Brausetabletten für seine Trinke. Danach beginnt die 800 m hohe Auffahrt über den Kaiserjägerweg zur Albergo Monterovere (1255 m), die wir gestern haben bleiben lassen. Die zunächst recht breite, dann aber immer schmaler werdende in die Felswand gehauene Straße bietet ein eindrucksvolles Panorama. Außerdem haben wir jetzt einen freihen Blick auf den Lago di Caldonazzo, der sich uns gestern nicht zeigen wollte. Das Tal strahlt die typische italienische Lebensweise aus (frag mich nur keiner, was das ist).
Nachdem sich das Feld (inklusive mir) oben gesammelt hat, gibt es eine Pause in der italienischen Sonne. Ich rolle total ausgetrocknet zur Albergo und besorge frisches Wasser, eine Flasche ist bei dieser Hitze wirklich zu wenig. Allzu einladend sieht diese mögliche Unterkunft nicht aus, unsere vorgezogene Übernachtung in Caldonazzo war also eine gute Wahl.
Über den ausgeschilderten Lavarone-Radweg fahren wir nach Bertoldi. Dort gelingt es mir nur mit viel Geduld telefonisch unsere nächste Unterkunft zu reservieren, denn die Frau am Telefon kann nur italienisch. Das kann ja noch heiter werden. Nach der Besichtigung der kläglichen Ruine des Commando Austriaco geht es weiter nach Carbonare (1074 m) und Richtung Passo del Sommo (1343 m). Ich habe zwar schon oft von der Lavarone Hochebene gelesen, wirklich beeindruckend finde ich die Gegend aber nicht. Bei der Auffahrt zum Pass verfransen wir uns auch noch im Wald und gelangen über den E5 halb verhungert zur 100 m höheren Albergo Forte Cherle (1445 m). Zu Essen will mann uns nichts mehr geben und die Getränke sind teuer. Wir ziehen uns die letzen Reserven an Müsliriegeln rein und fahren total genervt weiter. Das alte Forte Cherle lassen wir nun mit voller Absicht aus.
Auch bei Ortesino gibt es nichts zum Futtern, also müssen wir mit leerem Magen hoch zum Sommo Alto. Die Wegfindung von dieser Seite des Berges ist wahrlich nicht einfach. Als die Stimmung zu Kippen droht, kann Alexander einer zufällig vorbeikommenden Frau mit Händen und Füßen ein paar Tipps entlocken und wir finden doch noch den richtigen Weg. An der Rifugio Stella d'Italia (1536 m) reicht man uns endlich ein paar Häppchen, obwohl ich mittlerweile schon keinen Hunger mehr habe. Auf der sonnigen Terasse lässt es sich aber sehr gut aushalten. Die Aussicht von hier oben ist phantastisch. Wie auf einer aufgeklappte Landkarte liegt uns alles zu Füssen.
Sommo Alto (1613 m) |
Weiter oben sieht man auch das Sommo Alto (1613 m), das wir nach dem Aufbruch als nächstes ansteuern. Die Gemäuer sind gut erhalten und lassen die Schrecken des Krieges erahnen. Obwohl wir nicht die einzigen am Fort sind, wirkt die Gegend gottverlassen und unheimlich. Ich finde es ähnlich bedrückend, wie Andreas Kronabitleitner es beschrieben hat, auch wenn keine Nebelschwaden umherziehen und das Wetter ganz gut ist. Seit wir die Rifugio verlassen haben, sind allerdings ein paar dunkle Wolken aufgezogen. Es sieht fast so aus, als bekämen wir den ersten Regen dieser Alpenüberquerung.
Nach der Besichtigung rollen wir hinüber zum Passo Coe (1610 m). Von hier aus gehen wahrscheinlich die meisten Touren über den Monte Maggio, wir lassen uns aber ins Tal rollen und biegen ab nach Serrada (1250 m). Es wird wieder heller. Vom Regen sind wir noch einmal verschont geblieben. Die letzten Höhenmeter zur Rifugio Filtzi (1603 m) sind langweilig. Auf einem langweiligen Waldweg geht es nach oben.
Rifugio Filtzi (Postkarte) |
Dann kommt der große Moment und wir sehen unsere Hütte. Der erste Schreck ist groß, vor uns steht eine kleines Häuschen mit Blechdach, das von einem halben Dutzend Sendemasten eingekreist wird. Die Betreiberin ist alleine und schaut uns verunsichert an, sie erinnert sich aber an meinen Anruf. Eine Dusche gibt es nicht und wir müssen uns mit einem Schlauch auf der in den Boden eingelassenen Toilette abduschen. Karsten ist bei dieser Aktion übel ausgerutscht. Als Abendessen bekommen wir Spaghetti zubereitet, dazu gibt es Dosen zum Trinken. Der Gastraum bietet etwa Platz für 30 Personen, fast alle Tische sind eingedeckt, aber wir sind die einzigen Gäste - offenbar seit Wochen. Gespenstige Atmosphäre. Da die Wirtin insgesamt einen etwas gequälten Eindruck macht, legen wir uns früh schlafen. Die Zimmer sind eine Katastrophe. Kleine Räumchen, randvoll mit super schlechten Doppelbetten (ich möchte mal wissen für wen), in denen man Angst hat abzustürzen. Bei all der Kritik, gibt es aber auch etwas Lobenswertes zu erwähnen, nämlich die Aussicht. Ich habe in meinem Doppelbett direkt am Fenster gelegen und von dort aus die ganze Nacht einen sagenhaften Blick aus 1600 m Höhe auf das Etschtal, Rovereto und all die Orte auf der anderen Talseite gehabt, durch die wir morgen hinauf wollen. Noch nie habe ich in einer Hütte aus meinem Bett heraus eine so tolle Aussicht genießen können.