Sonntag, 26. Juli 1998
Tag 4: Über die Silvretta ins Vinschgau (2. Hälfte)
Kilometer: 35 km - Höhenmeter: 1220 hm - Schnitt: 7,4 km/h - Fahrzeit: 4 3/4 h
Morgens vor der Abfahrt von der Heidelberger Hütte |
Los gehts Richtung Fimberpass |
Auch in dieser Hütte, die mir sehr gut gefallen hat, gibt es nur bis 8 Uhr Frühstück. Das macht aber nichts, wir sind sowieso früh auf. Es gibt ein üppiges Buffet. Meine Sachen sind wieder nicht richtig trocken geworden, aber diesesmal trockne ich das Nötigste wenigstens mit meinem Fön. Der hat sich letztes Jahr schon als äußerst praktisch erwiesen, und zwar nicht für die Haare, sondern für die nassen Klamotten.
Blick zurück zur Hütte |
Alexander und ich beim Schieben hinauf zum Fimberpass |
Um 8 Uhr sind wir alle unterwegs. Wir müssen zuerst über den Fimberpaß (2608 m), den bisher höchsten Punkt der Tour. Es ist wieder herrliches Wetter und ich kann gar nicht glauben, daß wir dieses Jahr damit so ein Glück haben. Es ist eine herrliche Sicht und ich könnte dauernd Fotos machen.
Zum Paß müssen wir erst einmal lange schieben. Gut gelaunt und recht gemütlich gehen wir den Aufstieg an. Zu sechst kommen wir sowieso nicht mehr so schnell vorwärts, wie zu zweit. Der Weg zieht sich, und meine Schulter tut mir jetzt beständig weh, aber die Erkältung hat sich zum Glück gebessert. Es ist recht kühl, da wir im Schatten der Berge laufen und die Sonne noch nicht in das Tal scheint, aber beim Anstieg wird mir warm.
Nach gut 1 h Schieben sehen wir die Paßhöhe vor uns und kommen auch kurz darauf am Fimberpaß an. Ich habe erwartet, hier ein paar Schneereste zu finden, doch die ersten weißen Placken fangen erst weit über uns an. Aber besser kein Schnee, als zuviel. Obwohl wir in den nächsten Tagen noch etwas höher kommen werden, haben wir mit dem Fimberpaß den Alpenhauptkamm überwunden. Von südlicherem Klima ist hier oben aber noch keine Spur zu sehen.
Vor dem Fimberpaß |
André am Fimberpass |
Am Fimberpaß (2608 m), |
Am Fimberpaß (2608 m) |
Nach einer kurzen Pause fahren wir weiter, denn es ist doch ziemlich frisch. Nun erwartet uns eine Megaabfahrt von 1500 hm. Mir tut das ja schon ein bißchen leid, soweit runter zu müssen, denn unsere heutige Übernachtung liegt wieder auf der gleichen Höhe, wie die Heidelberger Hütte. Das heißt, daß wir nachher alles wieder hoch müssen. Aber der Weg ist ja das Ziel, also los!
Die Abfahrt fängt gleich heftig an. Ein kleiner Trampelpfad am Hang, mit extremem Gefälle und einigen Steinstufen. Zusätzlich muß man darauf achten nicht an einem Stein hängenzubleiben. Solange der Abgrund neben mir noch überschaubar ist, schiebe ich mich weit hinter den Sattel und fahre runter. Die anderen Jungs fahren auch das meiste, nur die Mädels schieben teilweise. An einigen Stellen ist ein Anhalten unmöglich und ich lasse mich einfach runterrutschen. Als der Abgrund neben mir zu furchterregend wird, schiebe auch ich wieder.
Pause am Bach bei der Abfahrt vom Fimberpass |
Irgendwann geht der Pfad an einem Fluß entlang und ist teilweise weggespült. Wir müssen oft schieben oder durch das fast ausgetrocknete Flußbett fahren. Für Andrés Rad war das offenbar etwas viel, denn er hat vorne einen Platten. Alexander ist schon ein Stück weiter und ich fahre ihm hinterher, um ihm bescheid zu sagen. Während wir zu zweit am Wasser sitzen und warten, esse ich ein paar Nektarinen und wieder Müsliriegel. Mir wird schon fast schlecht von dem Zeug.
Halbe Brücke über den Bach |
Irgendwann kommen endlich die anderen wieder. Bei André war der Mantel durchs Bremsen soweit auf der Felge gewandert, daß ihm das Ventil abgerissen ist. Aber mit Ersatzschlauch kein Problem.
Ein Stück weiter müssen wir den Fluß oder das, was davon zu dieser Jahreszeit übrig ist, überqueren. Eine Brücke ist zwar da, doch die hört nach der Hälfte einfach auf. Wir gehen trotzdem drüber und heben unsere Räder runter. Zum Glück fließt kaum noch Wasser.
Auf dem Weg ins Tal |
Auf dem Weg ins Tal |
Der Weg wird jetzt etwas breiter, aber wir kommen trotzdem kaum voran. Ständig hält irgendjemand aus irgendwelchen Gründen an. Weil das keinen großen Sinn macht, fahren Alexander und ich vor bis Vna (1602 m). Dort setzen wir uns auf eine Bank und essen noch einmal Nektarinen und Müsliriegel.
Als nach einer viertel Stunde die anderen immer noch nicht da sind, fahren wir einfach weiter. Ich vermute, daß sie vielleicht anders gefahren sind, schließlich haben sie auch eine andere Streckenbeschreibung als wir. Die hätten wir vorher ja wenigstens mal vergleichen können. Von Vna bis zum Inn (1112 m) geht es auf einer Teerstraße runter. Zuerst eine nette Serpentinenstraße, danach ein Stück auf einer größeren Straße, und noch einmal eine kleinere, auf der ich sogar ein Auto überholen kann. Der Tacho zeigt über 70 km/h. Das ist allerdings nichts besonderes, denn einen Maximal-Wert über 70 habe ich bis jetzt jeden Tag gehabt.
Am nächsten Anstieg zum Val d'Uina |
Auffahrt zur Uina Schlucht |
Am Inn ist die Hölle los. Hier ist ein Campingplatz und ein Riesentrubel. Nach all der Ruhe in der Höhe wirkt das fast wie ein Schock. Wir fahren schnell vorbei und machen uns ohne richtiges Mittagessen an die Auffahrt zur Sesvennahütte (2256 m). 1000 hm am Stück ist eine ganze Menge. Alexander fährt mir gleich wieder davon. Da noch viel Zeit ist und ich keine Lust habe, mich total zu verausgaben, versuche ich gar nicht, ihn einzuholen.
Der Weg verläuft durch ein wunderschönes Tal und ich ärgere mich, das Alex nicht da ist, um mit mir ein paar Bilder zu machen. Wäre für mich sicher interessanter, wenn die anderen noch bei uns wären. Der Weg ist sehr steil und ich halte oft an, auch um mir die tolle Landschaft anzusehen. Das einzige was mich antreibt, sind zwei Wanderer, die dicht hinter mir laufen. Immer wenn ich kurz anhalte, tauchen sie sofort wieder auf, und von denen will ich mich nun doch nicht überholen lassen. Irgendwann treffe ich wieder auf Alex, er hat schon ziemlich lange auf mich gewartet. Ich mache schnell ein Bild von ihm und schon ist er wieder weg.
Aufstieg zur Uina Schlucht |
Nach gut einer Stunde einsamer Fahrt treffe ich ihn wieder. Diesmal sitzt er an einer Almhütte, die heute offenbar spontan bewirtschaftet ist. Ein Klo gibt es nicht, aber wir essen etwas Käse mit Butter und Brot. Wir sitzen recht lange dort und ich frage mich, wo die anderen vier bleiben, die müssen doch auch irgendwann hier vorbeikommen.
Ein Stück das Tal hinauf kann man schon die Uina Schlucht erkennen. Dort ist der Weg in die senkrechte Felswand gehauen und wir müssen da nachher auch noch durch.
Als wir weiterfahren wird der Weg zunehmend schlechter. Nachdem wir einige matschige Kuhäcker durchwatet haben, geht es auf einem Trampelpfad weiter Richtung Schlucht und wir müssen Schieben. Stellenweise ist der Weg ganz weggerutscht und ich komme mit meinem Rad nur mit ziemlichen Mühen weiter. Als ich mein Rad ein paar Mal heben muß, tut mir meine Schulter sofort wieder weh.
Die Uina Schlucht |
In der Uina Schlucht |
Die Uina-Schlucht entschädigt aber für alles. Sie ist wunderschön, und man kann sich kaum vorstellen, mit welchem Aufwand dieser Weg in den Fels gekommen ist. Auch hier kommen wir nur mir Schieben voran, da wir oft kleinere Felsstufen hochmüssen und das Geländer teilweise fehlt. Der Weg ist ziemlich lang und wir sind heilfroh, daß wir diese Etappe halbiert haben. Wenn wir gestern abend hier in halber Dunkelheit noch durchgemußt hätten, hätten wir das bestimmt nicht mehr so toll gefunden.
Es ist bereits Nachmittag, als wir die Schlucht endlich hinter uns haben. Vor uns öffnet sich ein weites flaches Tal. Wir machen erst einmal eine lange Müsliriegelpause, denn so weit kann es jetzt ja nicht mehr sein. Doch da haben wir uns ein wenig getäuscht. Der Pfad steigt zwar kaum noch an, ist aber vor lauter Steinen mühsam zu fahren und wir kommen nur langsam voran. Fast unbemerkt überqueren wir dabei die Grenze nach Italien. Als wir endlich ein Haus sehen, traue ich meinen Augen nicht, denn es ist total verfallen und hat keine Fenster mehr. Dicht nebendran steht aber zum Glück noch eines, eine moderne schöne Hütte, die Sesvennahütte.
Sesvannahütte (2256 m) [Postkarte] |
Hier gibt es Zimmer mit eigener Dusche, was für eine Hütte etwas übertrieben ist. aber wir nehmen es gerne an. Während Alexander sich hinlegt, setze ich mich in die Gaststube, schreibe Karten und schaue mir den Streckenverlauf für die nächsten Tage an. Es sitzen hier bereits mehrere Radler rum, unter anderem ein Bikerpärchen, das auch zum Gardasee will, aber ebenfalls östlich den Ortler umfährt. Schade. Da man auf den Ortler von hier einen guten Blick haben soll, gehe ich noch einmal hinaus um ihn mir anzusehen. Er liegt aber in einem ziemlichen Dunst und es ist nicht viel zu erkennen.
Sehr viel später kommen endlich auch die anderen vier an. Sie sind tatsächlich nicht denselben Weg gefahren und haben sich dazu einen gemütlichen Tag gemacht. Beim Abendessen sitzen wir wieder alle zusammen. Es gibt es ein ganz leckeres Einheitsmenü. Alexander und ich überlegen, ob wir nicht unsere geplante Route ändern und mit Frank und André weiterfahren. Das wäre sicher interessanter, zumal Gitti und Liesl bis Meran ebenfalls diese Strecke mitfahren. Nach langem Überlegen entscheiden wir uns aber, unsere Route beizubehalten, da die andere Strecke eine Etappe mehr hat, und wir am 31. Juli unbedingt am Gardasee sein wollen. Ich bin über den Entschluß nicht so richtig glücklich, da ich dann weiterhin die meiste Zeit einsam hinter Alexander herfahren muß. Außerdem haben die anderen noch eine Reihe netter Hütten vor sich, während diese hier unsere letze ist, die nächsten Abende verbringen wir nämlich im Tal. Ich sehe aber ein, daß es zeitlich nicht klappen würde, schließlich haben wir für den 1. August schon unsere Rückfahrkarten.
Um die Hütte ist gegen Abend dichter Nebel aufgezogen.