Montag, 27. Juli 1998
Tag 5: Zum Stilfser Joch
Kilometer: 47 km - Höhenmeter: 1700 hm - Schnitt: 10,5 km/h - Fahrzeit: 4 1/2 h
Letztes Gruppenfoto |
Morgendlicher Aufbruch |
Abschied von der Sesvannahütte |
Am nächsten Tag brechen wir schon um 8 Uhr auf. Das Wetter wird uns langsam unheimlich, denn auch heute haben wir wieder strahlenden Sonnenschein. Der nächtliche Nebel ist komplett weggezogen. Leider kann man aber auch heute Morgen nicht viel vom Ortler erkennen.
Wir verabschieden uns von den anderen vier und tauschen unsere Adressen aus. Mit Frank und André verabreden wir uns noch am Gardasee.
Immer noch die Abfahrt von der Sesvannahütte |
Abfahrt von der Sesvannahütte |
Nach ein paar Abschiedsfotos, fahren Alexander und ich los. Von der Hütte (2256 m) ins Tal nach Glurns (907 m) liegt wieder eine Megaabfahrt vor uns. Anfangs ist der Weg nicht gut zu fahren und sehr steil, er geht dann aber in eine Teerstraße über. Kurz nach Schlinig verpassen wir fast eine Abfahrt, merken es aber gleich. Mit meinem Fahrstil übermangele ich fast noch zwei andere Mountainbiker, die auch in der Sesvennahütte übernachtet haben und auf dem Weg ins Tal sind. Alex rät mir, daß ich mich bei Abfahrten ab sofort doch etwas rücksichtvoller verhalten sollte.
Als wir unten sind, geht das letzte Stück bis Glurns geht fast ebenerdig und gleicht eher einem gemütlichen Dahinrollen. Was uns weniger Freude bereitet, ist das Wetter. Wir sind auf dem Weg nach unten in dichte Wolken gekommen, die nicht sehr friedlich aussehen. In Glurns machen wir eine Pause. Wir holen uns Briefmarken, Alexander telefoniert nach Hause. Währenddessen decke ich mich mit frischem Obst ein und kaufe mir endlich ein Handtuch, spätestens am Gardasee brauche ich sowieso ein eigenes. Noch während wir pausieren, fallen die ersten Regentropfen. Na Klasse! Aber noch kein Grund sich aufzuregen, schließlich haben wir bis jetzt fast keinen Regen gehabt. Erstaunlich wie schnell sich das Wetter heute geändert hat.
Ich ziehe meine Regenjacke an und wir fahren weiter nach Lichtenberg. Dort beginnt wieder ein Anstieg. Wir müssen hoch zur Schartalpe (1829 m). Es regnet jetzt heftig, meine Regenhose lasse ich aber noch eingepackt. Kurz bevor wir Lichtenberg verlassen, überholen wir zwei andere Biker, die sich untergestellt haben. Nach einem kleinen Fahrfehler, bei dem wir auf dem Parkplatz eines Hotels landen, geht es nur noch bergauf. Der Weg ist zwar nicht zu steil, er macht aber bei dem Regen überhaupt keinen Spaß und zieht sich. Nach über einer Stunde Bergfahrt wird es etwas heller und der Regen läßt ein wenig nach. Ich fahre noch immer ohne Regenhose, das geht auch, solange wir nicht anhalten. Bei jeder kleineren Pause fange ich aber sofort an zu frieren. Alexander macht heute etwas langsamer und wir fahren die meiste Zeit nebeneinander. Seine Laune ist nicht mehr die beste, aber ich versuche ihn aufzumuntern. Schließlich ist es der erste lange Regen, den wir haben, und wir dürfen uns über das Wetter dieses Jahr wirklich nicht beschweren. Was meine Laune aber dämpft, ist, daß wir überhaupt nichts vom Ortler sehen können. Da fahren wir schon in der Nähe eines so tollen Berges und können wegen des Wetters überhaupt nichts sehen.
Irgendwann sind wir dann oben. Jetzt ist mir so kalt, daß ich doch meine Regenhose anziehe. Bevor wir weiter zur Furkelhütte (2160 m) hinauffahren können, geht es erst noch einmal 400 hm runter. Bei dieser Abfahrt ist Alexander außnahmsweise sogar einmal schneller als ich. Ich bekomme vom Vorderrad nämlich soviel Dreck ins Gesicht geschleudert, daß ich fast überhaupt nichts sehe. Der Mudplugger am Unterrohr nutzt für das Gesicht überhaupt nichts. Die Strecke führt oberhalb von Stilfs vorbei und Alexander schlägt vor, doch in den Ort zu fahren und dort etwas zu essen. Wir haben nämlich ziemlich Hunger. Ich bin da allerdings strickt dagegen. Schließlich haben wir noch ein paar Müsliriegel und können damit sicher noch das Stück zur Furkelhütte schaffen. Ich habe überhaupt keine Lust, bei diesem Wetter noch die 200 zusätzlichen Höhenmeter nach Stilfs zu fahren. Alexander läßt sich tatsächlich überreden, und wir fahren weiter.
Es geht jetzt ein Stück Teerstraße entlang. Kurzzeitig hört sogar der Regen auf. Alex nutzt die Gelegenheit und zieht sich erst einmal um. Dabei fahren die zwei Biker von vorhin an uns vorbei. Offenbar haben sie das gleiche Ziel wie wir. Als es steil bergan geht, überholen wir sie wieder, weil sie angehalten haben. Der Weg wechselt nun auf Forststraße und es tröpfelt wieder ein bißchen. Die Serpentinen ziehen sich wie eine Ewigkeit. Ich bin patschnaß und habe furchtbaren Hunger. Wir denken darüber nach, in der Furkelhütte zu übernachten und heute nicht bis zum Ziel Trafoi zu fahren.
Immer wieder schaue ich auf die Karte und suche Anhaltspunkte um unsere Position in der Karte zu finden. Langsam kommen wir über die Baumgrenze, können aber trotzdem nicht weit sehen, weil etwas Nebel aufgezogen ist. Jetzt müssen wir auch noch den Forstweg verlassen und einen Fußweg weiter. Der ist so steil, daß ich keinen Bock habe und schiebe. Alexander fährt weiter. Über uns verlaufen ein paar Strommasten und wir vermuten, daß sie uns zur Hütte führen werden. Doch bald kreuzen wir die Leitungen und unser Weg geht noch weiter. Das war dann wohl nichts. Wir können aber endlich in einiger Entfernung etwas erkennen, was aussieht, wie eine einfache Liftstation. Doch die Enttäuschung hält nur kurz an. Als wir näher kommen, taucht neben dem Lift eine Hütte auf und es ist tatsächlich die Furkelhütte.
Wir sind die einzigen hier und bestellen uns gleich etwas zu Essen. Jeweils einen Teller Spaghetti und Alexander noch ein Schnitzel mit Pommes dazu. Ich will mir beim Mittagessen den Bauch nicht mehr so vollhauen. Nach einem warmen Kakao ziehe ich mich erst einmal um. Während wir die Spaghetti essen, kommen auch die beiden anderen Radfahrer an. Wie ich mir gedacht habe, wollen sie auch nach Trafoi. Draußen regnet es in Strömen, aber mit der Übernachtung hier wird es nichts, denn die Hütte bietet keine Übernachtungsmöglichkeiten. Ich erinnere mich, daß das auch in unserer Routenbeschreibung steht. Wir müssen also doch noch runter nach Trafoi (1543 m).
Nach einem längeren Aufenthalt läßt der Regen endlich nach und wir wagen den Aufbruch. Der Weg nach unten geht über eine Skipiste und ist ganz nach meinem Geschmack: herrlich steil aber breit und und deshalb 'ungefährlich'. Mit dem Hintern hinter dem Sattel lasse ich mich rollen und rutschen. Ab und zu warte ich auf Alexander. Diese Abfahrt entschädigt wenigstens ein bißchen für das miese Wetter. Der Regen hat mittlerweile sowieso ganz aufgehört. Unsere Räder sehen allerdings fürchterlich aus und wir sind auch nicht viel sauberer. Wenn wir in dem Aufzug mal eine Übernachtung finden!
Blick von Trafoi auf den vernebelten Ortler |
In unserer Streckenbeschreibung ist als Übernachtung irgendwas von Gustav Thoeni angegeben. Wir finden auch gleich eine Pension, auf der Thoeni draufsteht und Zimmer frei sind. Wir dürfen hinter dem Haus unsere Räder mit einem Schlauch abspritzen und machen dabei auch die Regenkleidung sauber. Das Haus ist sehr klein und wir sind die einzigen Gäste. Offenbar hat hier keiner mit uns gerechnet, denn auch die Dusche ist zunächst kalt. Ich habe mittlerweile das Gefühl, daß das nicht die Übernachtung ist, die wir eigentlich gesucht haben. Als das Wasser warm ist, wasche ich noch meine dreckigen Sachen.
Es ist tatsächlich nicht die Übernachtung, die wir wollten. Das große Hotel Bellavista direkt nebenan hat auch einen Besitzer namens Thoeni und wäre unser richtiges Ziel gewesen. Gehört wohl in die Verwandtschaft. Ich bin jetzt ziemlich enttäuscht, denn ich wollte doch konsequent alle Übernachtungsvorschläge aus der Routenbeschreibung mitnehmen. Wenigstens zum Essen gehen wir hinüber ins Hotel. Auch die beiden anderen Biker sind zum Essen hergekommen. Da sie als nächstes auch über das Stilfser Joch wollen, verabreden wir uns für halb 10 am nächsten Morgen.