Dienstag, 1. September 2020
Tag 3: Zum Gran Paradiso
Rifugio Benevolo - Col Rosset - Col Nivolet - Colle Manteau - Eaux Rousses
Start: 8:15 Uhr - Stop: 17:30 Uhr - Kilometer: 32 km - Höhenmeter: +1500 hm / -2100 hm - Maximale Höhe: 3023 m
Der Tag startet eiskalt. Die Hütte liegt im Schatten und Rauhreif hat sich auf den Wiesen breit gemacht. Nach unserem Start dauert es noch eine Weile, bis uns die ersten Sonnenstrahlen erreichen. Der Blick ist heute früh durch die klare Luft noch mal besser als gestern Abend. Wir werden heute das Val di Rhêmes durch einen Seitenausgang verlassen und ins parallel verlaufende Valsavarenche wechseln. Der höchste Punkt des Tages wird der Col Rosset (3023 m). Es wird spannend, ob wir wieder auf Schnee treffen werden. Es war gestern zwar sehr sonnig, aber kühl.
Zunächst queren wir eine Bergflanke, um ins richtige Tal für den Aufstieg zu gelangen. Ich hatte über diesen Pfad bei meinen Recherchen nichts gefunden. Er bekommt aber eine uneingeschränkte Empfehlung von mir, wie die gesammte Etappe, die ziemlich perfekt ist. Nachdem wir 100 hm zu Fuß aufgestiegen sind, können wir den Rest der kurzen Querung fahren. Nur die grandiosen Ausblicke zwingen immer mal wieder anzuhalten.
Dafür fahren wir von den 700 hm bis zum Col Rosset keinen Meter. Damit habe ich auch nicht gerechnet. Die Frage war eher, wie viel kann man Schieben, bevor das Rad auf dem Buckel landet. Viel ist es nicht. Der Weg ist zwar in ganz gutem Zustand, aber einfach zu steil, um das Rad vernünftig schieben zu können. Besonders die letzen Meter sind fordernd. Dennoch ist der Aufstieg nie richtig fies und am Morgen entspannt zu bewältigen. Auf Schnee treffen wir erstaunlicherweise überhaupt nicht.
Oben angekommen öffnet sich der Blick in Richtung Col Nivolet und der dortigen Hochebene mit ihren zahlreichen Seen. Ein gigantischer Anblick! Und der weitere Weg geht mittendurch. Zwei Wanderer machen noch ein paar Fotos von uns, um die tolle Szenerie umfassend festzuhalten. Auch der Gran Paradiso (4061 m) lugt schon ein bisschen um die Ecke. Der Berg wird uns in den nächsten Tagen länger begleiten.
Der Abstieg vom Col Rosset (3023 m) nach Osten ist für uns nicht fahrbar, aber nur kurz. Danach führt ein toller Trail über das Plateau an den Seen entlang zur Passstraße des Col Nivolet. Dieser Pass kann zwar mit dem Auto angefahren werden, aber nur von Süden. Die Straße, die von Turin herauf kommt, endet am Pass. Nach Norden gehört der Nivolet den Wanderen und Radfahrern.
Wir stoppen zunächst an der nahegelegenen Rifugio Savoia (2450 m) zum Essen fassen. Dann geht es in der Höhe weiter entlang des tollen Hochtales, das abseits der Straße wieder schön einsam ist. Vor der finalen Abfahrt ins Valsavarenche steht noch ein weiterer Aufstieg an. Eine kurze Schiebepassage bringt uns zunächst eine Etage höher und schlussendlich zum Colle Manteau (2790 m). Meistens kann man fahren. Nach dem anstrengenden Morgen ist es ein schöner entspannter Nachmittag. Der Gran Paradiso ist nun auch allgegenwärtig.
Etwas spannend wird es dann doch noch mal, weil hinter dem Manteau der Weg durch einen Bergrutsch unter einem riesigen Geröllfeld begraben ist. Wir müssen praktisch weglos mit den Rädern über riesige Felsbrocken klettern. Ich bin nicht besonders „amused” und habe ernsthaft Angst um meine Fußgelenke. Ca. 200 m ist das Stück lang.
Am Lago Djouan (2600 m) ist alles wieder vergessen und theoretisch könnte man in dem flachen See trotz der Kälte der letzten Tage noch Baden. Ich tue es trotzdem nicht, es zieht uns Richtung Tagesziel. Wir haben schon von weitem den Trail gesehen. Der sah lecker aus. Und das ist er auch. Hinter der Alpe Djoaun tauchen wir in den Wald ein und auch dort ist das Spektakel noch nicht zu Ende. Ganz im Gegenteil. Mit wenig Gefälle geht es endlos in langen Kehren bis zum Talgrund (1680 m). Dort stehen wir unmittelbar vor dem Hotel Paradis, der heutigen Übernachtung. Hinter uns liegen 1000 hm feinster Trail. Insgesamt eine wirklich toller Tag! Es hat sich absolut rentiert, den Nivolet mit in die Runde reinzupacken. Und gerade durch den Seiteneinstieg vom Col Rosset war es besonders schön. Leider war es der einzige tolle Tag, denn der Schneeauftakt und das gestrige Bremsenmanöver waren es definitiv nicht. Und die nächsten Tage werden es auch nicht mehr. Jedenfalls genießen wir den schönen Abend, unwissend, dass es der letzte gemeinsame sein wird.